Wie gelangte die Staatssicherheit zu ihren Informationen?

Dienstag, 28. September 2021 um 19.00 Uhr im Martin-Luther-King-Zentrum

Buchvorstellung und Diskussion mit Dr. Christian Booß

Der Referent wird anhand seines Buch „Vom Scheitern der kybernetischen Utopie“ die Entwicklung von Überwachung und Informationsverarbeitung der Staatssicherheit vorstellen. Während seiner wissenschaftlichen Untersuchung hat Booß festgestellt, dass es sich bei vielen Annahmen über die Informationsbeschaffung der Staatssicherheit anders verhält als vermutet. So waren die Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) keineswegs die Hauptquelle des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Zudem gab es keine flächendeckende Überwachung und diese war auch nicht angestrebt. Und am meisten kontrollierte das MfS systemnahe Personen, rein zahlenmäßig sogar mehr als Oppositionelle.

Auch der Eindruck, den die heutigen Akten und Karteien hinterlassen haben täuscht. Die Stasi arbeitete zum Ende der DDR wesentlich moderner mit massivem EDV-Einsatz. Das System war aber keineswegs perfekt. Vielfach war die Staatssicherheit überfordert. So scheiterte sie v. a. an den selbst gesetzten Ansprüchen bei der Kontrolle der Folgen der Entspannungspolitik.

Dabei weitete sie das Informationsnetz immer weiter aus. Neben den IM, abgefangenen Briefen, abgeschöpften Nachbarn und Denunzianten waren die Gesprächspartner in den Institutionen die wichtigsten Quellen des MfS. Die Kriminalisierung von Bürgern war gegen Ende der DDR nur noch ein verhältnismäßig kleiner Zweig des Apparates. Das Aufspüren von Defiziten in Staat und Wirtschaft, um die Partei zu informieren, nahm deutlich mehr Raum ein. Insgesamt ist das Scheitern eines utopischen Anspruches, durch inflationäre Informationssammlung eine Gesellschaft von oben beherrschen zu können, ein lehrreiches Beispiel auch für heutige Verhältnisse.

Herzliche Einladung. Der Eintritt ist frei.